Die Pflege erkrankter Eltern ist kein „schwerwiegender Grund“, der ausnahmsweise einen längeren BAföG-Bezug begründen kann. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Saarlouis in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (6.7.2018, Az.: 2 A 583/17). Eine Studentin hatte an zwei Tagen in der Woche ihren Vater gepflegt. Als die Förderungshöchstdauer endete, beantragte sie die Weiterförderung wegen eines – an sich im Gesetz vorgesehenen – „schwerwiegenden Grundes“. Doch die Verwaltungsrichter lehnten ab: Die Pflege von Kindern sei zwar als ein solcher Grund anerkannt, nicht jedoch die der Eltern. Der Gesetzgeber habe das nicht gewollt. Die Studentin hätte außerdem ein Urlaubssemester nehmen und dann von anderen Sozialhilfeträgern Sozialleistungen beanspruchen können. Auch auf die Vorschriften des Familienpflegezeitgesetzes und des Pflegezeitgesetzes könne sich die Studentin nicht berufen. Dort gehe es um erwerbstätige Personen und die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege. Die Studentin sei aber keine erwerbstätige Person.
Sozialrecht
Bundessozialgericht: Blindengeld auch bei Alzheimer möglich
Das Bundessozialgericht hat gestern entschieden (Az. B 9 BL 1/17 R), dass auch schwerst Hirngeschädigte, die keine visuelle Wahrnehmung haben, grundsätzlich Anspruch auf Blindengeld haben können. Die Klägerin leidet an einer schweren Alzheimer-Demenz und kann deshalb Sinneseindrücke kognitiv nicht mehr verarbeiten. Das beantragte Blindengeld lehnte die beklagte Behörde ab. Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, dass auch bei cerebralen Störungen eine Blindheit anzunehmen ist. Und zwar dann, wenn zwar keine spezifische Sehstörung nachweisbar ist, der Betroffene aber wegen der cerebralen Störung nichts sieht. Allerdings: Das Blindengeld soll blindheitsbedingten Mehraufwand ausgleichen. Kann ein solcher Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes gar nicht erst entstehen, dann würde der Zweck des Blindengelds verfehlt. Ob ein solcher Ausschlussgrund hier zum Tragen kommt, das muss jetzt das Landessozialgericht prüfen. Das Bundessozialgericht hat den Rechtsstreit deswegen dorthin zurückverwiesen.
Antrag auf Sozialleistung zurückgenkommen – Sozialamt muss dennoch zahlen!
Die Ehefrau beantragt für ihren pflegebedürftigen Ehemann Sozialhilfe. Später zieht sie den Antrag schriftlich zurück. Ihr Schwiegersohn sei ein „hohes Tier“, er übernehme die Kosten der Pflege. Ist das dann aber nicht passiert, so muss das Sozialamt dennoch später die Kosten übernehmen. Das hat Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in einem aktuell veröffentlichten Urteil entschieden (15.3.2018, Az. L 9 SO 344/16). Begründung: Wenn das Sozialamt von der Bedürftigkeit einer Person erfährt (dafür ist noch nicht einmal ein Antrag notwendig), dann muss es sich kümmern. Und zwar auch darum, ob die Kosten der Pflege tatsächlich übernommen werden. Es darf sich also nicht darauf verlassen, dass – hier noch nicht einmal der Leistungsberechtigte selbst – seinen Antrag „zurücknimmt“. Denkbar wäre allenfalls eine Verzicht, wenn nämlich der Leistungsberechtigten „trotz Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen unter keinen Umständen eine (staatliche) Sozialleistung gewährt werden soll“. Das war hier aber nicht der Fall. Deswegen: Liegen die Voraussetzungen für eine Sozialleistung vor, dann muss das Sozialamt diese auch nach Zurückziehen eines Antrags übernehmen.
Schwerbehindertenausweis: Merkzeichen „Blind“ auch bei Hirnschädigung
Eine Beeinträchtigung des Sehorgans ist nicht Voraussetzung für die Eintragung des Merkzeichens „Bl“ im Schwerbehindertenausweis. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) entschieden (Urteil vom 22.11.2017, Az. L 13 SB 71/17, im Volltext). Ausreichend sei, dass ein unter der Blindheitsschwelle liegendes Sehvermögen objektiv festgestellt sei. Ob die Ursache in einem Defekt der Augen, des Sehnervs oder des Gehirns zu finden sei, sei unerheblich. Die Gleichbehandlung der unterschiedlichen Ursachen sei durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention geboten.