Fristversäumnis bei Antragsbearbeitung: Pflegekasse muss Schadensersatz zahlen

Wer einen Antrag auf Pflegeleistungen stellt, der hat einen Anspruch darauf, dass er spätestens innerhalb von 25 Arbeitstagen einen Bescheid erhält. Versäumt die Pflegekasse diese Bearbeitungsfrist, dann muss sie für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 Euro an den Antragsteller zahlen. In manchen Fällen ist die Frist sogar noch kürzer als 25 Arbeitstage. Auf der anderen Seite trifft die Kasse keine Zahlungspflicht, wenn sie die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bei ihm bereits mindestens Pflegegrad 2 festgestellt ist. Das alles steht in § 18 Abs. 3b Sozialgesetzbuch XI (SGB XI).

Nun hat das Sozialgericht Speyer darüber entschieden, was zu tun ist, wenn die Kasse die Frist versäumt hat. In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Versicherter sogleich Klage auf Schadensersatz erhoben. Diese hat das Gericht aber als unzulässig abgewiesen. Der Versicherte hätte zunächst den Schadensersatz bei der Kasse geltend machen müssen. Das weitere Vorgehen: Wird der Antrag abgelehnt, dann ist Widerspruch einzulegen. Erst wenn auch dieser abgelehnt wird, ist der Klageweg zum Gericht eröffnet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer datiert vom 13. April 2023 (Az. S 9 P 164/22) und ist zurzeit noch nicht rechtskräftig.

Zur Begutachtung darf Betroffener Vertrauensperson mitnehmen

Wer in einem Sozialgerichtsverfahren ärztlich begutachtet werden soll, dem steht es frei, dazu eine Vertrauensperson mitzunehmen. Nur ausnahmsweise kann das Gericht den Ausschluss der Vertrauensperson anordnen, insbesondere wenn das für eine unverfälschte Beweiserhebung erforderlich ist. Das hat das Bundessozialgericht entschieden (27.10.2022, Az. B 9 SB 1/20 R). Mehr Infos gibt es in dem Terminsbericht des Gerichts.

Bundessozialgericht: Persönliches Budget muss nicht zurückbezahlt werden

Menschen mit Behinderung können ein persönliches Budget nutzen. Sie erhalten dann meist einen Geldbetrag und kaufen davon die notwendigen Leistungen selbstbestimmt ein (z. B. Pflegegleistungen). Mitunter sind sie zum Nachweis der Geldverwendung verpflichtet. Wenn sie diese Pflicht verletzen, dann dürfen Kommunen die Hilfen aber nicht einfach rückwirkend zurückfordern. So urteilte am 11. August 2022 das Bundessozialgericht (Az: B 8 SO 3/21 R). Es ging immerhin um eine viertelmillion Euro. Allerdings kann die Kommune die Geldleistung für die Zukunft versagen. Dann muss sie die Leistungen allerdings weiterhin in der üblichen Form erbringen. Mehr Infos bei beck-aktuell.de.

Pflegedienst hat Anspruch auf Verzugspauschale gegenüber Pflegekasse

Immer wieder fragen sich Gesundheitsunternehmen, ob sie gegenüber den Kassen bei Zahlungsverspätungen die Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro berechnen dürfen (s. § 288 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch). Wie soeben bekannt wurde, hat das Sozialgericht Karlsruhe zugunsten eines ambulanten Pflegedienstes entschieden (Urteil vom 28. Januar 2022, Az. S 3 P 2406/21, rechtskräftig). Dieser hatte der Pflegekasse einen Beratungsbesuch in Rechnung gestellt. Nachdem die Kasse nicht gezahlt hatte, wurde zusätzlich die Verzugspauschale nebst Verzugszinsen in Rechnung gestellt. Die Pflegekasse zahlte letztlich jedoch nur die reine Forderungssumme für das Beratungsgespräch. Das Sozialgericht Karlsruhe verpflichtete die Kasse jedoch, zusätzlich auch die Verzugspauschale und die Verzugszinsen zu zahlen. Fazit: Sowohl stationäre als auch ambulante Leistungserbringer können sich zukünftig bei der Berechnung von Verzugskosten auf das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe berufen. Ob sich die Pflegekasse mit der Zahlung tatsächlich in Verzug befindet, ergibt sich aus dem Rahmen- bzw. Versorgungsvertrag.

Landespflegegeld ist nicht vererbbar

„Der Anspruch auf Landespflegegeld ist nicht (…) vererblich.“ So steht es in Artikel 2 Absatz 4 des Bayerischen Landespflegegeldgesetzes. Und trotzdem kommt es bei der Frage der Vererbbarkeit des Landespflegegeldes immer wieder zu Verwirrungen.

Grund dafür ist ein Urteil des Sozialgerichts München aus dem vergangenen Jahr. Auch ich habe hier darüber berichtet. Darin wurde die sogenannte Sonderrechtsnachfolge beim Landespflegegeld anerkannt. Nahe Angehörige wie zum Beispiel Ehegatten oder Kinder, die mit dem Pflegebedürftigen in einem Haushalt gelebt haben oder von ihm wirtschaftlich unterhalten wurden, können als sogenannte Sonderrechtsnachfolger das Landespflegegeld erben. Das Problem: Dieses oft zitierte Urteil ist nie rechtskräftig geworden.

Vor dem Landessozialgericht wurde nun in einem aktuellen Fall erneut über die Sonderrechtsnachfolge verhandelt. Das Gericht wies die Klägerin während der Verhandlung darauf hin, dass sie als Angehörige das Landespflegegeld nicht erben könne. Daraufhin nahm die Klägerin ihre Klage zurück. Fazit: Das Landespflegegeld ist wegen seines „höchstpersönlichen Charakters“ nicht vererblich – auch nicht im Wege der Sonderrechtsnachfolge.

Widerspruch gegen einen sozialrechtlichen Bescheid per E-Mail? Besser nicht!

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat am 4. November 2021 entschieden (Az. L 11 AS 632/20): Durch eine einfache E-Mail wird die gesetzlich vorgeschriebene Form für einen Widerspruch nicht gewahrt. Erforderlich ist die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur, ein Versand gemäß § 5 De-Mail-Gesetz oder die Übermittlung in einem sogenannten „sicheren Verfahren“. In der Praxis akzeptieren hingegen z.B. viele Kranken- und Pflegekassen einen Widerspruch per einfacher E-Mail. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, der sollte den Widerspruch per Einwurf-Einschreiben versenden. Am besten mit einem Zeugen beim Eintüten. Oder per Fax. Dabei unbedingt den Sendebericht archivieren. Hier gibt es das Urteil im Volltext.