Urteil stärkt Mutterschutz bei (teilweiser) Nachtarbeit

RA Thorsten Siefarth - LogoDie EU-Richtlinie 92/85/EWG schützt schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen ganz besonders. Sie sieht unter anderem vor, dass diese Arbeitnehmerinnen während ihrer Schwangerschaft und einem bestimmten Zeitraum nach der Entbindung nicht zu Nachtarbeit verpflichtet werden dürfen. Voraussetzung ist ein entsprechendes ärztlichen Attest. Nun hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 19.9.2018 (Az. C-41/17) entschieden, dass auch dann Nachtarbeit vorliegt, wenn die Tätigkeit nur zum Teil in die Nachtstunden fällt. Arbeitgeber müssen in diesem Fall also die Dienstzeiten, insbesondere den Schichtdienst, für die betroffenen Frauen umorganisieren.

Urteil: Eine Verfallsklausel im Arbeitsvertrag erfasst nicht den Mindestlohn

RA Thorsten Siefarth - LogoWer Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag geltend macht, der muss höllisch aufpassen. Denn häufig gibt es im Arbeitsvertrag sogenannte Verfallsklauseln. Die sind viel kürzer als die Verjährung: Meistens betragen sie drei bis sechs Monate. Nun hat das Bundesarbeitsgericht aber entschieden (18.9.2018, Az. 9 AZR 162/18): Der Mindestlohn fällt nicht unter eine solche Klausel. Das heißt: Auch wenn die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen abgelaufen ist, so gilt das nicht für den Mindestlohn. Dieser kann auch nach Ablauf der Frist noch beansprucht werden. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil allerdings nur über den allgemeinen Mindestlohn, nicht jedoch über den Pflege-Mindestlohn entschieden. Das Urteil dürfte aber auch für letzteren gelten.

Krankenversicherung darf Patienten auf möglichen Behandlungsfehler eines Arztes hinweisen

RA Thorsten Siefarth - LogoEine private Krankenversicherung darf den Patienten auf einen vermuteten Behandlungsfehler des Arztes hinweisen. Das hat das Oberlandesgericht Köln entschieden (Beschlüsse vom 25.6.2018 und 22.8.2018, Az. 5 U 26/18). Die Versicherung hatte gegenüber der Patientin die Erstattung der Behandlungskosten unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass der Zahnarzt beim Setzen eines Zahnimplantats den Wurzelrest nicht vollständig entfernt habe. Daher sei kein dauerhafter Behandlungserfolg zu erwarten. Der Zahnmediziner sah durch diese Aussage seine ärztliche Reputation beschädigt. Er beantragte, der Versicherung diese Behauptung gerichtlich untersagen zu lassen. Doch damit unterlag er. Es ging in dem Verfahren nicht darum, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorlag. Sondern ob die Kasse die Patientin informieren durfte. Alle Instanzen haben das bejaht. Begründung vor allem: Die Krankenversicherung sei gesetzlich zur Prüfung verpflichtet, ob eine Behandlung medizinisch notwendig sei. Und dabei müsse sie gegebenenfalls eben auch die Richtigkeit der Behandlung überprüfen.

Dürfen Pflegekräfte streiken?

RA Thorsten Siefarth - LogoIn der aktuellen Ausgabe von Die Schwester Der Pfleger (September 2018) ist der Streik in der Pflege das Titelthema. Zentrale Frage: Was bewirken diese Arbeitskämpfe? Die Beiträge dazu sind sehr lesenswert! Prof. Hans Böhme beantwortet außerdem die Frage, ob Pflegekräfte streiken dürfen. Zusammengefasst: Grundsätzlich dürfen alle Pflegekräfte streiken. Sie müssen nicht unbedingt in einer Gewerkschaft sein. Gewerkschaftsmitglieder einer streikführenden Gewerkschaft müssen dem Streikaufruf folgen, alle anderen dürfen streiken. Gewerkschaftsmitglieder bekommen den Vergütungsausfall ersetzt, andere jedoch nicht. Nur Gewerkschaften dürfen einen Streik führen, keine Berufsverbände. Damit Streiks verhältnismäßig sind, schließt Verdi Notdienstvereinbarungen ab.

Kasse trödelt und muss zahlen – in diesem Fall dann aber doch nicht!

RA Thorsten Siefarth - LogoEin etwas skurriler Fall: Eine Frau will Leistungen von ihrer Krankenkasse und stellt einen Antrag. Soweit nichts Ungewöhnliches. Allerdings hat sie den Antrag bei einem deutschen Konsulat an ihrem Urlaubsort auf der britischen Insel Jersey eingeworfen. Das ist grundsätzlich sogar möglich (siehe § 16 SGB I). Nun gibt es allerdings Bearbeitungsfristen für die Kassen (siehe § 13 Abs. 3a SGB V). Hält eine Kasse diese nicht ein, so ist sie per Gesetz verpflichtet, die Leistung zu gewähren. In einem gerichtlichen Eilverfahren hat die Frau aber erst einmal nicht Recht bekommen. Die Richter waren der Ansicht, dass dieses Vorgehen an Rechtsmissbrauch grenze. Denn die Frau hatte gegen den bereits zuvor gestellten, gleichlautenden und abgelehnten Antrag Widerspruch eingelegt. Über diesen war aber noch nicht entschieden worden. Die Richter ließen es der Frau also nicht durchgehen, die Kassenleistung quasi „auf der Überholspur“ einzusammeln (Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30.8.2018, Az. L 16 KR 362/18 B ER)

Sozialgericht Münster: Pflegebedürftige muss Bestattungsvorsorgevertrag kündigen

RA Thorsten Siefarth - LogoZur Finanzierung der Pflege springt immer wieder einmal das Sozialamt ein. Die Sozialhilfe übernimmt aber nur dann offene Kosten, wenn kein Vermögen mehr da ist (einmal abgesehen vom Schonvermögen). In einem Fall aus Münster ging es nun darum, ob es einer Pflegebedürftigen zumutbar ist, einen Bestattungsvorsorgevertrag zu kündigen. Dadurch würde sie knapp 9.000 Euro erhalten, die für die Pflege verwendet werden könnten. Das Sozialgericht Münster hat das in diesem konkreten Fall bejaht (Urteil vom 28.6.2018. Az. S 11 SO 176/16). Denn der Sohn hatte vor Jahren Grundeigentum von der Pflegebedürftigen erhalten und sich notariell verpflichtet, auch für die Bestattung und Grabpflege aufzukommen. Die Frau war also abgesichert. Wenn das nicht so gewesen wäre, dann müssen Bestattungsvorsorgeverträge nicht unbedingt verwertet werden. Allerdings müssen sie dann angemessen sein. Ob das auf einen Bestattungsvorsorgevertrag über 9.000 zutrifft, musste das Gericht nicht entscheiden.