Zwei Personen hatten Familienangehörigen eine Niere gespendet. Seitdem litten sie an einem Fatigue-Syndrom („bleierne Müdigkeit“). Ihrem Haftungsanspruch hielten die Ärzte entgegen: Selbst wenn die Aufklärung korrekt verlaufen wäre, hätten die Spender eingewilligt (hypothetische Einwilligung). Das hat der Bundesgerichtshof in zwei aktuellen Urteilen (29.1.2018, Az. VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17) jedoch nicht gelten lassen. Das Transplantationsgesetz sehe strenge Schutzmechanismen vor, um die Spender in einer schwierigen Situation zu schützen. Diese würden unterlaufen, wenn Ärzte sich auf eine hypothetische Einwilligung herausreden könnten.
Arzthaftungsrecht
Bundesgerichtshof: Reparatur eines Medizinprodukts mit Pflaster ist Behandlungsfehler
Ein Wehenschreiber (CTG) misst die Wehentätigkeit der Mutter und die Herztöne des Kindes. Der Stecker eines solchen CTG-Gerätes wurde in einer Klinik im Rhein-Neckar-Kreis notdürftig mit einem Heftpflaster repariert. Die Herztöne des Kindes wurden nur noch lückenhaft aufgezeichnet. Erst später wurde das CTG-Gerät ausgetauscht. Das Kind kam infolge eines nicht bemerkten Sauerstoffmangels im Mutterleib mit einer Hirnschädigung zur Welt. Der Vater hat daraufhin Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt. Der Bundesgerichtshof gab ihm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil Recht (24.7.2018, Az. VI ZR 294/17, Volltext (pdf, 0,1 MB)): Die notdürftige Reparatur eines medizinischen Gerätes mit einem Heftpflaster ist „von Beginn an als behandlungsfehlerhaft zu beurteilen“. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei dem rechtzeitigen Anschluss eines Ersatzgerätes entsprechende Maßnahmen hätten ergriffen werden können. Zum Beispiel ein Kaiserschnitt. Dann hätte der Gesundheitsschaden womöglich verhindert werden können. Der BGH verwies das Verfahren an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurück.
Krankenversicherung darf Patienten auf möglichen Behandlungsfehler eines Arztes hinweisen
Eine private Krankenversicherung darf den Patienten auf einen vermuteten Behandlungsfehler des Arztes hinweisen. Das hat das Oberlandesgericht Köln entschieden (Beschlüsse vom 25.6.2018 und 22.8.2018, Az. 5 U 26/18). Die Versicherung hatte gegenüber der Patientin die Erstattung der Behandlungskosten unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass der Zahnarzt beim Setzen eines Zahnimplantats den Wurzelrest nicht vollständig entfernt habe. Daher sei kein dauerhafter Behandlungserfolg zu erwarten. Der Zahnmediziner sah durch diese Aussage seine ärztliche Reputation beschädigt. Er beantragte, der Versicherung diese Behauptung gerichtlich untersagen zu lassen. Doch damit unterlag er. Es ging in dem Verfahren nicht darum, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorlag. Sondern ob die Kasse die Patientin informieren durfte. Alle Instanzen haben das bejaht. Begründung vor allem: Die Krankenversicherung sei gesetzlich zur Prüfung verpflichtet, ob eine Behandlung medizinisch notwendig sei. Und dabei müsse sie gegebenenfalls eben auch die Richtigkeit der Behandlung überprüfen.
Auch nach Behandlungsende: Arzt muss Patient über bedrohliche Befunde informieren
Bei einem Patienten wurde in einer Klinik ein bösartiges Geschwulst in der Kniekehle entdeckt. Dies teilte die Klinik nur der Hausärztin mit. Erst nach mehr als einem Jahr wurde dann der Patient darüber informiert – als er die Hausärztin wegen einer anderen Erkrankung erneut aufsuchte. Daraufhin musste die klinische Behandlung sofort fortgesetzt werden. Der Patient wollte von der Hausärztin nun Schadensersatz und Schmerzensgeld. Erst der Bundesgerichtshof gab dem Patienten Recht, wie sich aus einem soeben veröffentlichen Urteil ergibt (26.6.2018, Az. VI ZR 285/17). Die Richter erläutern: Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden – und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung – Kenntnis erhält. Das gilt auch dann, wenn diese Informationen erst nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei den Arzt eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten. Insbesondere, wenn sich aus der Information selbst nicht ein deutig ergibt, dass der Patient oder der weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.
Trotz groben Behandlungsfehlers keine Haftung des Krankenhauses
Bei einem 45jährigen Patienten bestand Verdacht auf eine „instabile Angina pectoris“. Bei der Anamnese im Krankenhaus wurde er fälschlicherweise nicht als Risikopatient eingestuft. Deswegen wurde auch versäumt, einen zusätzlichen Blutwert zu bestimmen und ein weiteres EKG zu machen. Hinzu kam die versäumte Gabe eines blutverdünnenden, schmerzlindernden Arzneistoffes. Nach dem Tod des Patienten hat seine Ehefrau Schadensersatz und Schmerzensgeld eingeklagt. Im Prozess dreht sich bei solch groben Behandlungsfehlern an sich die Beweislast um – zuungunsten des Krankenhauses. Das Oberlandesgericht Hamm hat aber aktuell entschieden (2.2.2018, Az. 26 U 72/17), dass die mit einem groben ärztlichen Behandlungsfehler verbundene Beweislastumkehr entfallen kann. Und zwar dann, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet, so eine mögliche Mitursache für den erlittenen Gesundheitsschaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann. Hier hatte sich der Patient selbst aus dem Krankenhaus entlassen und später einer weiteren stationären Abklärung nicht zugestimmt. Wegen ungeklärter Beweislage sprach das Gericht der Witwe in zweiter Instanz weder Schmerzensgeld, Beerdigungskosten noch Unterhalt zu.
Auskunftsanspruch: Patientin bekommt nicht unbedingt alle Ärztenamen
Eine Patientin vermutet Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein. Sie will deswegen pauschal alle Namen und Anschriften der an ihrer Behandlung beteiligten Ärzte erfahren. Diese muss das Krankenhaus aber nur dann mitteilen, wenn ein Patient ein berechtigtes Interesse an diesen Daten nachweist. Da ist der Patientin in einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Hamm jedoch nicht gelungen. Mehr lesen