Kasse trödelt und muss zahlen – in diesem Fall dann aber doch nicht!

RA Thorsten Siefarth - LogoEin etwas skurriler Fall: Eine Frau will Leistungen von ihrer Krankenkasse und stellt einen Antrag. Soweit nichts Ungewöhnliches. Allerdings hat sie den Antrag bei einem deutschen Konsulat an ihrem Urlaubsort auf der britischen Insel Jersey eingeworfen. Das ist grundsätzlich sogar möglich (siehe § 16 SGB I). Nun gibt es allerdings Bearbeitungsfristen für die Kassen (siehe § 13 Abs. 3a SGB V). Hält eine Kasse diese nicht ein, so ist sie per Gesetz verpflichtet, die Leistung zu gewähren. In einem gerichtlichen Eilverfahren hat die Frau aber erst einmal nicht Recht bekommen. Die Richter waren der Ansicht, dass dieses Vorgehen an Rechtsmissbrauch grenze. Denn die Frau hatte gegen den bereits zuvor gestellten, gleichlautenden und abgelehnten Antrag Widerspruch eingelegt. Über diesen war aber noch nicht entschieden worden. Die Richter ließen es der Frau also nicht durchgehen, die Kassenleistung quasi „auf der Überholspur“ einzusammeln (Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30.8.2018, Az. L 16 KR 362/18 B ER)

Krankenkasse muss keine Dolmetscherkosten zahlen

RA Thorsten Siefarth - LogoKrankenkassen müssen einem Patienten ohne Deutschkenntnisse keinen Dolmetscher für Arztbesuche und Behandlungen bezahlen. Das hat das Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen gestern bekanntgegeben (Urteil vom 23.1.2018, Az. L 4 KR 147/14). Es komme nicht darauf an, dass der Arzt die Hilfe eines Dolmetschers befürworte oder gar anordne. Abrechnungsfähig sei nur das, was der Arzt selbst ausführe. Tätigkeiten von Hilfspersonen seien nur dann abrechenbar, wenn sie unmittelbar zur ärztlichen Behandlung zählten und vom Arzt fachlich überwacht und angeleitet würden.

Schwerbehindertenausweis: Merkzeichen „Blind“ auch bei Hirnschädigung

RA Thorsten Siefarth - LogoEine Beeinträchtigung des Sehorgans ist nicht Voraussetzung für die Eintragung des Merkzeichens „Bl“ im Schwerbehindertenausweis. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) entschieden (Urteil vom 22.11.2017, Az. L 13 SB 71/17, im Volltext). Ausreichend sei, dass ein unter der Blindheitsschwelle liegendes Sehvermögen objektiv festgestellt sei. Ob die Ursache in einem Defekt der Augen, des Sehnervs oder des Gehirns zu finden sei, sei unerheblich. Die Gleichbehandlung der unterschiedlichen Ursachen sei durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention geboten.

Blindenführhund geht auch mit Rollator

RA Thorsten Siefarth - LogoEine heute 73-jährige Frau hatte bei ihrer Krankenkasse einen Blindenführhund beantragt. Ein Gegenargument der Kasse: Sie könne wegen des Rollators den Hund nicht führen. Es kam zur Gerichtsverhandlung. Dabei machte das Gericht sogar einen Gehversuch auf dem Gerichtsflur. Ergebnis: Es ging sehr wohl – die Kasse muss zahlen (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017, Az. L 16/1 KR 371/15, Volltext (pdf, 0,3 MB)). Pikant: Die Richter erinnerten die Krankenkasse an ihre Pflicht zur humanen Krankenbehandlung. Diese hatte nämlich im Vorfeld bei der Hundeschule angerufen, um sie von der körperlichen Ungeeignetheit der Klägerin zu überzeugen und die Realisierung des Leistungsanspruchs zu behindern.