Urteil: Sozialhilfeträger muss Pflegeheim die Bestattungskosten ersetzen

RA Thorsten Siefarth - LogoEs ist ziemlich riskant, wenn ein Pflegeheim ein Bestattungsunternehmen mit der Organisation der Beerdigung beauftragt. Dann ist die Pflegeeinrichtung Auftraggeber und muss zunächst die Kosten tragen. Ob es diese ersetzt bekommt ist fraglich. In einem aktuellen Fall hatte ein Heim aber Glück: Das Sozialgericht Gießen hat den Sozialhilfeträger zur Erstattung der Kosten verdonnert.



Sozialhilfeträger lehnt Kostenübernahme ab

Die Klägerin, ein Pflegeheim, begehrt von dem beklagten Landeswohlfahrtsverband Erstattung der von ihr verauslagten Kosten für die Bestattung einer in ihrem Gießener Pflegeheim am 6.11.2013 verstorbenen Bewohnerin. Der Heimleiter hatte ein Bestattungsunternehmen mit der Durchführung der Bestattung beauftragt. Dieses stellte der Klägerin hierfür 2.857,69 Euro in Rechnung.

Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 21.1.2014 von dem Beklagten Erstattung dieses Betrages abzüglich eines noch vorhandenen Vermögens in Höhe von 599,81 Euro. Da der Beklagte diesem Begehren mit den angefochtenen Bescheiden unter Hinweis auf vorrangig in Anspruch zu nehmende Angehörige nicht entsprach, erhob der Heimträger Klage bei dem Sozialgericht Gießen. Die Klägerin führte aus, sie sei nach § 13 Abs. 3 des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes (FBG) verpflichtet gewesen, die Bestattung in Auftrag zu geben. Es sei ihr nicht zuzumuten, diese Kosten zu tragen.

Auch juristische Person hat Anspruch auf Kostenerstattung

Die Klage auf Erstattung der Aufwendungen für die Bestattung hatte Erfolg. Das Gericht nahm zunächst auf § 74 SGB XII Bezug. Danach sind im Rahmen der Sozialhilfe die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen, soweit dem hierzu verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Der Klägerin stehe ein solcher Anspruch zu. Ein Anspruch auf Kostenübernahme aus § 74 SGB XII könne auch einer juristischen Person zustehen. Die Klägerin sei „Verpflichtete“ im Sinne des § 74 SGB XII gewesen. Die Verpflichtung beziehe sich auf die Tragung der Bestattungskosten und rühre aus den landesrechtlichen Bestattungspflichten des FBG her. Eine solche Pflicht habe für die Klägerin bestanden.

Angehörige hilfebedürftig und unter Betreuung

Auch könne der Klägerin nicht zugemutet werden, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Zumutbarkeit im Sinne von § 74 SGB XII sei nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles ausfüllungsbedürftig. Dabei könnten auch Maßstäbe und Umstände eine Rolle spielen, die als solche im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtet seien, denen aber vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden müsse.

Dabei sei zum einen an die persönliche und rechtliche Nähe zur Verstorbenen anzuknüpfen und zum anderen daran, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dem Verpflichteten möglich sei, selbst für eine anderweitige Entlastung zu sorgen. Im Übrigen dürfe der Sozialhilfeträger dem Bestattungspflichtigen nicht Ausgleichsansprüche gegenüber Angehörigen entgegenhalten, wenn diese selbst hilfebedürftig seien und eine Betreuung bestehe.

Referenz: Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17.1.2017, Az. S 18 SO 183/14, nicht rechtskräftig

Quelle: Pressemitteilung des Sozialgerichts Gießen vom 6.2.2017

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