Urteil: Für „häusliche“ Pflegehilfe ist der Ort nicht entscheidend

Im Leitsatz des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (17. August 2022, Az. S 5 SO 3075/17) heißt es: „Der Begriff der „häuslichen“ Pflegehilfe in § 64b SGB XII dient allein der Abgrenzung zur stationären Pflege. Für die Einstufung als häusliche Pflegehilfe kommt es also nicht auf den Aufenthaltsort des Pflegebedürftigen an, sondern allein auf die Art der Leistung. Wird die Pflege von einem ambulanten Pflegedienst oder einer einzelnen Pflegekraft durchgeführt, handelt es sich um „häusliche“ Pflegehilfe – unabhängig davon, ob sie zu Hause beim Pflegebedürftigen erfolgt oder anderswo, z.B. am Arbeitsplatz.“ Mehr Infos gibt es bei Häusliche Pflege. Das Urteil im Volltext ist hier abrufbar.

Urteil: Corona-Einmalzahlung auch für Heimbewohner

Wer Sozialhilfe erhielt, der hatte für Mai 2021 Anspruch auf eine Corona-Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro. Die Stadt Freiburg hatte einem Heimbewohner die Auszahlung jedoch versagt, weil er nur Hilfe zur Pflege und keine Grundsicherung erhalten hatte. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat aber nun in zweiter Instanz bestätigt: Auch Heimbewohner haben Anspruch auf die Corona-Einmalzahlung, selbst wenn sie zwar keine Grundsicherung erhalten, aber im Rahmen der Hilfe zur Pflege einen Barbetrag und eine Bekleidungspauschale bezogen haben. Hier gibt es die Pressemitteilung. Und hier das Urteil im Volltext.

Reha für Demenzerkrankten: Kasse hat zu ungenau geprüft!

RA Thorsten Siefarth - LogoBei dem Patienten lag eine leichte bis mittelschwere Demenz vom Alzheimer-Typ vor. Die Ärzte bescheinigen: Mit einer stationären Behandlung könne der Krankheitsverlauf voraussichtlich günstig beeinflusst werden. Der von der Krankenkasse eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) notierte jedoch lediglich stichwortartig, es bestehe keine Reha-Fähigkeit und keine positive Reha-Prognose, ohne auf das Krankheitsbild der Versicherten und die von den Ärzten genannten Ziele einzugehen. Darauf stützte die Kasse ihre Entscheidung. Zu Unrecht, wie jetzt das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden und die Kasse zur Übernahme der Kosten veruteilt hat (17.7.2018, Az. L 11 KR 1154/18). Die Kasse habe die Umstände nicht ausreichend geprüft und gewürdigt hat, sondern sich nur auf die unzureichende, spekulativ anmutende, ablehnende Stellungnahme des MDK gestützt. Es komme auf drei Voraussetzungen an: Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose. Alle drei Voraussetzungen haben hier vorgelegen, wie sich nicht nur aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, sondern auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Einrichtung ergeben habe. Update (22.08.2018): Ein neues Infoblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) (pdf, 0,2 MB) informiert über die verschiedenen Arten von Reha und die Voraussetzungen, unter denen sie von den Kostenträgern bewilligt werden.

Urteil: Kasse muss aufwendiges Fußheber-System bezahlen

RA Thorsten Siefarth - LogoDas Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass zwei an fortgeschrittener Multipler Sklerose leidende Versicherte Anspruch darauf haben, von ihren jeweiligen Krankenkassen mit einem modernen, technisch aufwändigen Fußheber-System versorgt zu werden (Urteile vom 15.6.2018, Az. L 4 KR 531/17, L 11 KR 1996/17). Das System Ness L 300 (Kostenpunkt ca. 5.500 Euro zuzüglich verschiedener Zusatzkosten) sendet drahtlos kleine elektrische Impulse an den Wadenbeinnerv und stimuliert dadurch die Fußheber. Es erfasst in Echtzeit die Gehposition, die verschiedenen Gehgeschwindigkeiten sowie Änderungen in der Untergrundbeschaffenheit. Die Krankenkassen lehnten die Anträge ab und verwiesen auf kostengünstigere Systeme. Anders die Sozialrichter: Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs dürften Versicherte nicht auf kostengünstigere, aber weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden. Vielmehr haben sie Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. In beiden Fällen haben medizinische Gutachten und auch Videodokumentationen eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des Sachverhalts gespielt.