Pflegekraft wollte erben: Doch Testament war nicht lesbar!

RA Thorsten Siefarth - LogoEine Pflegekraft hatte beruflich und privat Kontakt zu einer älteren Dame, die im Jahr 2012 verstarb. Die Pflegerin reichte im Rahmen des Nachlassverfahrens bei Gericht ein Schreiben ein, das die Erblasserin zwei Monate vor ihrem Tod gefertigt haben sollte. Sie gab an, dass sie dieses Schreiben von einer anderen Pflegekraft der Verstorbenen erhalten habe und dass in dem Schreiben stehe, dass ihr die Verstorbene alles vermache. Das Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht sah dieses Schreiben jedoch nicht als ein wirksames Testament an.



„Trotz langjähriger Erfahrung …“

Das eingereichte Schriftstück genügt nicht den Anforderungen an die Form eines wirksamen Testaments, so die Richter. Ein Testament kann durch eigenhändige und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Die Eigenhändigkeit der Errichtung setzt aber voraus, dass der erklärte Wille in vollem Umfang aus dem Geschriebenen hervorgeht. Zwingende Formvoraussetzung ist damit die Lesbarkeit der Niederschrift.

In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich

Der Senat – Spezialsenat für Nachlassangelegenheiten – ist trotz langjähriger Erfahrung mit der Entzifferung schwer lesbarer letztwilliger Verfügungen nicht in der Lage, das Schriftstück soweit zu entziffern, dass es einen eindeutigen Inhalt erhält.

Der Senat geht mit dem Nachlassgericht davon aus, dass die ersten drei Worte „ich A.“ und die letzten Worte „D. geb. …“, gefolgt von der Unterschrift und dem Datum lauten. Diese Worte weisen die Erblasserin als Erklärende aus und lassen einen Bezug der Erklärung zu der weiteren Beteiligten, die namentlich und mit ihrem Geburtsdatum genannt wird, erkennen. In der Mitte des Textes verbleiben jedoch einige nicht zweifelsfrei lesbare Worte.

Gutachter konnte auch nicht helfen

Die Ungewissheit über den Inhalt des Geschriebenen lässt sich auch nicht mit Hilfe der vom Nachlassgericht herangezogenen Schriftsachverständigen beseitigen. Die Sachverständige hat zwar das erste der umstrittenen Worte als „vermache“ identifiziert, nicht jedoch die weiteren Wörter, so dass unklar bleibt, was vermacht werden sollte.

Offen konnte bleiben, ob Pflegekraft überhaupt erben durfte

Da das vorgelegte Schriftstück aufgrund seiner Unleserlichkeit bereits kein formgültiges Testament darstellt, war vom Gericht nicht weiter zu untersuchen, ob die Erblasserin wegen Demenz oder Leseunfähigkeit testierunfähig gewesen ist und ob das Schriftstück überhaupt von ihr stammte. Auch konnte das Gericht offen lassen, ob die verstorbenen Eheleute in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes untergebracht waren, was zur Folge hätte, dass das Verbot in § 14 Absatz 5 Heimgesetz Anwendung finden würde, wonach den Mitarbeitern eines Heims die Entgegennahme geldwerter Leistungen von Heimbewohnern untersagt ist.

Referenz: Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 16.07.2015, Az. 3 Wx 19/15

Quelle: Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 16.09.2015

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