Treppensteighilfe kann zum Leistungsbereich der Pflegeversicherung gehören

RA Thorsten Siefarth - LogoEin älterer Herr, beidseitig beinamputiert und fast erblindet, hatte bei seiner Krankenkasse die Übernahme einer Treppensteighilfe beantragt. Diese lehnte allerdings ab. Das Bundessozialgericht hat dem Mann aber nun in dritter Instanz bestätigt: Die Kasse muss die Treppensteighilfe übernehmen.



Kein Hilfsmittel allein wegen besonderer Wohnsituation

Der Kläger ist 81 Jahre alt, nahezu erblindet, beidseitig beinamputiert und deshalb pflegebedürftig (Pflegestufe III). Die beklagte Krankenkasse hat ihn mit einem mechanischen Rollstuhl versorgt, mit dem er aber seine in der ersten Etage eines Mehrfamilienhauses gelegene Mietwohnung nicht verlassen kann, weil in dem Haus kein Aufzug vorhanden ist. Begründung: Eine Krankenkasse habe nicht für Hilfsmittel aufzukommen, die ein Versicherter nur wegen seiner besonderen Wohnsituation benötige. Dazu zählten auch die Treppensteighilfen, weil sie bei ebenerdig gelegenen Wohnungen und bei Häusern mit Aufzügen oder Treppenliften entbehrlich seien.

Treppensteighilfe ist kein Hilfsmittel …

Das Bundessozialgericht hat nun dem Kläger, wie auch die Vorinstanzen, Recht gegeben. Dem Kläger steht der Anspruch auf Versorgung mit der elektronisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe zu. Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht aus § 33 SGB V, weil Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich nur dann in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallen, wenn sie nicht allein wegen der konkreten Wohnsituation des Versicherten, sondern praktisch in jeder Art von Wohnung benötigt werden. In ebenerdig gelegenen Wohnungen oder Häusern mit Aufzügen oder Treppenhilfen wird eine Treppensteighilfe aber nicht benötigt.

… aber ein Pflegehilfsmittel

Der Anspruch ergibt sich jedoch aus § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Für pflegebedürftige Versicherte, die dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen sind, stellt eine Treppensteighilfe ein Pflegehilfsmittel dar, weil mit ihrer Hilfe eine selbstständigere Lebensführung des Pflegebedürftigen ermöglicht wird; denn um von der Wohnung nach draußen zu kommen oder von dort zurückzukehren, ist nur noch die Unterstützung durch eine Pflegeperson und nicht mehr, wie bisher, durch zwei Kräfte nötig. Die Pflegeversicherung stellt im Gegensatz zur Krankenversicherung auf einen Hilfebedarf im konkreten, individuellen Wohnumfeld ab.

Krankenkasse ausnahmsweise zuständig

Für dieses grundsätzlich in die Zuständigkeit der Pflegekasse fallende Hilfsmittel ist hier ausnahmsweise die Krankenkasse leistungspflichtig. Denn nach § 40 Abs 5 Satz 1 SGB XI kommt es bei der Bewilligung von Hilfsmitteln mit doppelter Funktion darauf an, bei wem der Leistungsantrag gestellt worden ist. Und das war hier die Krankenkasse.

Referenz: Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.7.2014, Az. B 3 KR 1/14 R

Quelle: Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 16.7.2014

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