Amtsgericht München will Reduzierung von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen

RA Thorsten Siefarth - LogoDer Qualitätsbericht 2011/2012 der Münchner Heimaufsicht spricht von einem bedenklichen Umgang mit Psychopharmaka. Die erhobenen Daten würden zeigen, dass zu schnell zu viele Medikamente aus der Gruppe der Psychopharmaka verabreicht werden. Deswegen hat sich unter Federführung des Amtsgerichts München im November 2013 eine Arbeitsgruppe gegründet. Diese soll eine Sensibilisierung im Umgang mit Medikamenten, die freiheitsentziehende Wirkung haben können, erreichen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Beteiligten fördern. Am 6.11.14 wird ein Fachtag veranstaltet werden, an dem Vertreter der Alten- und Pflegeeinrichtungen in München, Fach- und Hausärzte, Angehörigenvertreter und -beiräte, Betreuungsvereine und Vertreter der Psychiatrien in München zu dem Thema informiert werden.



Gesetzliche Anforderungen

Das Amtsgericht München ist zuständig für die Genehmigungen von freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Stadt und dem Landkreis München. Das Gesetz sieht in § 1906 Absatz 4 BGB vor, dass immer dann, wenn ein Medikament mit sedierender Wirkung verabreicht werden soll, ohne dass der Hauptzweck der Medikamentengabe die Heilung des Patienten ist, eine betreuungsrechtliche Genehmigung vorliegen muss. Das Gesetz stellt somit die medikamentöse Ruhigstellung der mechanischen Fixierung gleich.

Anträge für solche Genehmigungen sind von den Betreuern beim Betreuungsgericht München zu stellen, wo dann ein sogenanntes „Unterbringungsverfahren“ durch den zuständigen Richter oder die zuständige Richterin durchgeführt wird. Dabei wird die Notwendigkeit der Medikamentengabe geprüft und die Medikamentengabe gegebenenfalls genehmigt. Bisher gingen beim Amtsgericht München solche Anträge nur in verschwindend geringer Zahl ein.

Das neue Verfahren

Folgende Punkte sollen durch die „Initiative München, Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen“ auf den Weg gebracht werden:

  • Das Gericht wird eng – und das ist völlig neu – mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen Bayern und dem Bayerischen Hausärzteverband zusammenarbeiten, die in ihrem Bereich die Sensibilisierung für die Genehmigungsbedürftigkeit und Notwendigkeit ihrer Verschreibungen vorantreiben werden.
  • Auch bei der Vergabe von Gutachtensaufträgen durch das Betreuungsgericht wird die Aufforderung ergehen, explizit zu den verabreichten Medikamenten und ihrer Wirkung Stellung zu nehmen.
  • Das Gericht wird entsprechend der Zielsetzung die Anforderungen an die Berichte der Berufsbetreuer anpassen. Konkret heißt das, dass die Betreuer aufgefordert werden, speziell zu der verordneten Medikation Stellung zu nehmen.
  • Bei Eingang eines Antrages auf Genehmigung einer Medikation bestellt das Gericht einen spezialisierten Verfahrenspfleger bzw. eine spezialisierte Verfahrenspflegerin mit beruflicher Pflegeerfahrung, der bzw. die die Interessendes Betroffenen vertritt. Diese Verfahrenspfleger verfügen sowohl über pflegefachliches als auch juristisches Wissen. Sie können daher mit den Pflegeverantwortlichen, Angehörigen, rechtlichen Betreuern sowie den Ärzten in der Einrichtung auf Augenhöhe diskutieren und nach alternativen Lösungen suchen. Sie erarbeiten vor Ort alternative Maßnahmen, um bei Ruhelosigkeit, herausforderndem Verhalten oder gesteigertem Antrieb der Betroffenen auf Psychopharmaka verzichten zu können.
  • Der Verfahrenspfleger wird abschließend eine in der Regel mit den Pflegeverantwortlichen und Angehörigen gemeinsam erarbeitete pflegefachliche Empfehlung abgeben, die die Grundlage der betreuungsrichterlichen Entscheidung bildet.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 26/14 des Amtsgerichts München vom 27.6.2014

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