Urteil: Für Versorgungsvertrag braucht Pflegeheim ein Angebot „rund um die Uhr“

RA Thorsten Siefarth - LogoDas Landessozialgericht Niedersachsen – Bremen hat entschieden, dass eine stationäre Einrichtung nur dann gegen die Landesverbände der Pflegekassen einen Anspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages für die vollstationäre Pflege hat, wenn die stationäre Einrichtung auch ein Angebot im Bereich der Tagesgestaltung vorhält.



Geklagt hatte ein ein stationäres Pflegeheim, das ausschließlich behinderte Menschen mit einer Pflegestufe aufnimmt und nach Art eines Pflegeheims versorgt. Allerdings macht es den Bewohnern keine eigenen Angebote im Bereich der Tagesgestaltung. Die Bewohner werden vielmehr tagsüber regelmäßig für sieben bis acht Stunden in eine Werkstatt für Behinderte gebracht, damit sie dort handwerklich arbeiten können.

Pflegeleistung muss im Mittelpunkt stehen

Das Landessozialgericht hat ausgeführt, dass für einen Anspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages gegen die Landesverbände der Pflegekassen (Beklagte) die Erbringung von Pflegeleistungen für die Bewohner im Mittelpunkt des Einrichtungszwecks stehen müsse. Wenn die soziale und berufliche Integration im Vordergrund sei, bestehe kein Anspruch, da die stationäre Einrichtung dann kein Pflegeheim, sondern eine Einrichtung der Behindertenhilfe darstelle (§ 71 Abs. 4 SGB XI).

Die Einordnung habe nicht allein aufgrund des eigenen Leistungsangebots der Einrichtung, sondern anhand einer Gesamtbewertung der institutionellen Zusammenarbeit mit der Behindertenwerkstatt zu erfolgen. Vollstationäre Pflege sei eine Pflege „rund um die Uhr“, die regelmäßig auch ein Angebot für die Strukturierung des Tages einschließen müsse.

Hier ging es vor allem um soziale Integration

Indem die Einrichtung die Aufnahme neuer Bewohner auch davon abhängig mache, dass sich diese im erwerbsfähigen Alter befänden, lasse sie erkennen, dass ihr vorrangiger Zweck, der Bedürfnislage ihrer Zielgruppe entsprechend, in der beruflichen und sozialen Integration liege.

Bei dieser Zuordnung sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Versichertengemeinschaft der Pflegeversicherten lediglich das gemeinsame Risiko der Altersgebrechlichkeit tragen solle, während das Lebensrisiko von Behinderung – bei bestehender Bedürftigkeit – durch die Allgemeinheit der Steuerzahler zu übernehmen sei.

Hintergrund: Finanzierung

Mit seinem Urteil hat das Landessozialgericht eine Streitfrage entschieden, die vor allem für die Finanzierung der klagenden Einrichtung von Bedeutung ist. An den Kosten einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen, haben sich die Pflegekassen nach § 43a SGB XI lediglich mit zehn Prozent desjenigen Heimentgelts zu beteiligen, das zwischen der Einrichtung und den Trägern der Sozialhilfe nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbart wird.

Referenz: Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17.9.2015, Az. L 15 P 36/12

Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17.3.2016

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