Eine Pflegekraft in einem Bochumer Seniorenzentrum fand in ihrem Dienstpostfach eine Trauerkarte vor. Darauf stand handschriftlich ergänzt: „Für Dich (bist die nächste)“. Der Arbeitgeber verdächtigte eine ganz bestimmte Kollegin und kündigte dieser außerordentlich und fristlos. Das Problem: Die Verdächtige war Betriebsrätin. In einem derartigen Fall muss der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung zustimmen. Da dieser sich aber weigerte, ging der Fall zu Gericht.
Gerichtsbeschluss kann Zustimmung des Betriebsrats ersetzen
Betriebsratsmitglieder sind im Regelfall vor einer ordentlichen Kündigung besonders geschützt. Eine außerordentliche Kündigung ist nur aus wichtigem Grund und nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich. Verweigert dieser die Zustimmung, kann diese durch einen arbeitsgerichtlichen Beschluss ersetzt werden. Die Kündigungssperre wäre damit beseitigt.
Das zunächst angegangene Arbeitsgericht Bochum hatte den Antrag des Seniorenzentrums auf Ersetzung der Zustimmung abgewiesen. Dagegen legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein. Nun hatte das Landesarbeitsgericht Hamm über den Fall zu entschieden.
Gutachten ergibt „hohe Wahrscheinlichkeit“
Die Kündigungsabsicht der Arbeitgeberin stütze sich auf den dringenden Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit der Betriebsrätin. Allerdings blieb bei der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht streitig, ob es tatsächlich die gekündigte Mitarbeiterin war, die der Kollegin die Trauerkarte in ihr Dienstpostfach gelegt hatte.
Ein von der Arbeitgeberin selbst außergerichtlich eingeholtes Schriftgutachten hatte insoweit ergeben, dass der handschriftliche Zusatz mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ (3. von 8 Übereinstimmungsgraden) von der Betriebsrätin stammte. Die höheren Übereinstimmungsgrade „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ und „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ vermochte der Sachverständige hingegen nicht festzustellen.
Der Prozessbevollmächtige der Arbeitgeberin betonte im Zusammenhang mit der Kündigungsabsicht, dass man insbesondere zum Schutz der weiteren Beschäftigten des Seniorenzentrums tätig werden wolle.
Hohe Anforderungen bei Verdachtskündigung
Im Rahmen des Rechtsgesprächs beim Landesarbeitsgericht machte der Kammervorsitzende deutlich, dass eine Verdachtskündigung und damit die beantragte Zustimmungsersetzung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen könne. So müsse aufgrund objektiver Tatsachen der dringende Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit bestehen. Der Arbeitgeber müsse alle ihm möglichen und zumutbaren Mittel der Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft und insbesondere den betroffenen Arbeitnehmer zu den konkreten Verdachtsmomenten angehört haben. Zudem müsse aufgrund der Verdachtslage die zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensbasis zerstört sein.
Das Gericht hat am Ende der Sitzung das Rechtsmittel der Arbeitgeberin zurückgewiesen und weitere Rechtsmittel nicht zugelassen. Das Gericht sah den für die Kündigung erforderlichen Verdachtsgrad nicht als ausreichend an.
Referenz: Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30.8.2016, Az. 7 TaBV 45/16
Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts vom 30.8.2016