Außerklinische Intensivpflege: Neue Ausnahmeregelung zur Potenzialerhebung

Bei der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege bei beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten muss eine sogenannte Potenzialerhebung stattfinden: Besonders qualifizierte Ärztinnen und Ärzte prüfen, ob eine vollständige Entwöhnung von der Beatmung, eine Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung oder die Entfernung der Trachealkanüle möglich ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat jetzt in seiner Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege eine neue dauerhafte Ausnahmeregelung von der verpflichtenden Potenzialerhebung beschlossen: Bei Versicherten, die bis einschließlich 30. Juni 2025 Leistungen der außerklinischen Intensivpflege erhalten haben, ist eine Potenzialerhebung nicht zwingend notwendig. Sie erfolgt für diesen Kreis nur noch bei Anzeichen für ein Entwöhnungs- bzw. Dekanülierungspotenzial oder auf Wunsch der Betroffenen. Folgeverordnungen von außerklinischer Intensivpflege sind für diesen Versichertenkreis künftig bis zu 12 Monate möglich.

Gericht erleichtert Zugang zum Persönlichen Budget für Beatmungspatienten

Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Sozialgerichts München stärkt die Rechte von Beatmungspatienten beim Zugang zum Persönlichen Budget (Beschluss vom 23. Dezember 2024, Az. S 29 KR 1606/22 ER, hier im Volltext). Im Fall eines schwerstbehinderten Mannes, der rund um die Uhr beatmet werden muss, entschied das Gericht, dass für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets nicht vorab Pflegepersonal oder deren Qualifikationen nachgewiesen werden müssen. Der Mann beantragte ein Persönliches Arbeitgeberbudget für 13 Stunden tägliche Beatmungsüberwachung. Die Krankenkasse lehnte dies ab und forderte zunächst Arbeitsverträge und Qualifikationsnachweise. Das Gericht gab jedoch dem Antragsteller im Eilverfahren Recht und argumentierte, es sei nicht nachvollziehbar, wie jemand Verträge abschließen solle, noch bevor Mittel bewilligt worden seien.

Bundessozialgericht: Krankengeld trotz verspätetem Attest

Das Bundessozialgericht hat eine wichtige Fristenfrage zugunsten der Arbeitnehmer*innen geklärt. Eine Frau war wegen einer Schulter-OP schon länger erkrankt. Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) lief am 17. Juni 2018 aus. Deswegen ging sie einen Tag später zum Arzt. Dort hat man sie aber wegen Überlastung abgewiesen. Sie könne erst am 20. Juni 2018 einen Termin erhalten. An diesem Tag bekam sie dann auch die AUB (wegen der gleichen bisherigen Erkrankung). Die Kasse verweigerte daraufhin jedoch die Zahlung von Krankengeld. Denn die Arbeitsunfähigkeit sei nicht lückenlos nachgewiesen.

Das Bundessozialgericht gab allerdings der klagenden Frau Recht (Entscheidung vom 21. September 2023, Az. B 3 KR 11/22 R). Die Begründung: Es sei schon richtig, dass die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nachgewiesen werden müsse. Die Klägerin habe aber rechtzeitig versucht, eine AUB zu erlangen. Da sie zu den „üblichen Öffnungszeiten“ bei ihrem Arzt eintraf, durfte sie darauf vertrauen, noch am selben Tag eine neuerliche AUB zu erhalten. Dass sie abgewiesen wurde, war dem ärztlichen Personal zuzurechnen – und nicht das Verschulden der Klägerin. Ergebnis: Die Krankenkasse muss das Krankengeld weiterhin an die Klägerin zahlen.

Wichtig: Viele – auch in den Arztpraxen – sind der Meinung, dass eine AUB rückdatiert werden kann. Dadurch könnte dann die Lückenlosigkeit der Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden. Eine Rückdatierung ist in der Regel jedoch nicht möglich. Deswegen sollte man als Patient grundsätzlich darauf beharren, spätestens am Tag nach dem Auslaufen der alten Frist eine neue AUB zu erhalten.

Außerklinische Intensivpflege: Zugang zu Leistungen übergangsweise erleichtert

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege geändert, um beispielsweise für beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten eine kontinuierliche Versorgung zu ermöglichen. Der G-BA will damit möglichen Engpässen entgegenwirken. Diese drohen, wenn ab dem 31. Oktober 2023 diese speziellen Leistungen zwingend nur noch nach der Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI) verordnet werden können. Das hat der Gesetzgeber so vorgesehen. Konkret hat der G-BA die Vorschrift zur Erhebung des sogenannten Entwöhnungspotenzials zeitlich befristet gelockert. Zudem erweitert er dauerhaft den Kreis verordnender und potenzialerhebender Ärztinnen und Ärzte. Anlass für beide Schritte waren Hinweise aus der Versorgung, dass es zu wenige berechtigte Ärztinnen und Ärzte geben könnte. Mehr Infos in der Pressemitteilung des G-BA.