Wie konkret muss eine Patientenverfügung sein? Bundesgerichtshof versucht Klärung!

RA Thorsten Siefarth - LogoDer Bundesgerichtshof hatte in der Vergangenheit für einige Unsicherheit gesorgt. Wie konkret muss eine Patientenverfügung sein? Eine Formulierung wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wollen war ihm zu unbestimmt. Bringt ein gestern veröffentlichter Beschluss nun mehr Sicherheit?



Seit 10 Jahren im Wachkoma

Die im Jahr 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Betroffene will keine „lebensverlängernde Maßnahmen“

Bereits im Jahr 1998 hatte die Betroffene ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück unterschrieben. In diesem war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen.

Patientenverfügung muss hinreichend konkret sein

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Patientenverfügung der Betroffenen an sich zu wenig konkret. Eine Patientenverfügung entfalte nämlich nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sich feststellen lasse, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürften dabei jedoch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden könne nur, dass der Betroffene umschreibend festlege, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation wolle und was nicht. Maßgeblich sei nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahne und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtige.

Allgemeine Anweisungen reichen nicht

Nicht ausreichend seien jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Auch die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthalte für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung.

Aber: Umstände sind zu berücksichtigen

Der Bundesgerichtshof weist aber auch darauf hin: Im Einzelfall kann sich die erforderliche Konkretisierung bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Und das hat dann die entscheidende Rolle in dem zu entscheidenden Fall gespielt.

„Ich möchte sterben“

Vor ihrem Schlaganfall hatte die Betroffene mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten (angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld) geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden. Sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren.

Außerdem erhielt die Betroffene im Juni 20018 einmalig nach dem Schlaganfall die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“

Betroffene darf nun sterben

All diese Umstände haben dazu geführt, dass der Bundesgerichtshof in diesem Fall die Patientenverfügung als hinreichend konkret angesehen hat. Damit ist sie bindend und muss umgesetzt werden. Die Patientin darf also sterben.

Referenz: Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13.12.2018

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