Bundestag hat erste Stufe der Pflegereform beschlossen

RA Thorsten Siefarth - LogoDer Deutsche Bundestag hat gestern in zweiter und dritter Lesung das erste Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Es sieht Leistungsverbesserungen vor, die zum 1. Januar 2015 wirksam werden. Die Leistungen in der ambulanten Pflege steigen um rund 1,4 Mrd. Euro, für die stationäre Pflege sind Verbesserungen im Umfang von rund 1 Mrd. Euro vorgesehen. Der Bundesrat muss sich noch abschließend mit dem Gesetz befassen.



Die Verbesserungen des ersten Pflegestärkungsgesetzes im Einzelnen:

  • Die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden um 4 Prozent erhöht, um die Preisentwicklung der letzten drei Jahre zu berücksichtigen (2,67 Prozent für die erst 2012 mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz eingeführten Leistungen).
  • Die Leistungen  der Kurzzeit- und Verhinderungspflege werden ausgebaut und können besser miteinander kombiniert werden. Tages- und Nachtpflege kann künftig ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Menschen in der sog. Pflegestufe 0 (Demenzkranke) haben erstmals einen Anspruch auf teilstationäre Tages-/ Nachtpflege, Kurzzeitpflege, den Zuschlag für Mitglieder von ambulant betreuten Wohngruppen sowie auf die Anschubfinanzierungsleistungen für die Gründung ambulant betreuter Wohngruppen.
  • Der Anspruch auf Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege für niedrigschwellige Angebote wird ausgeweitet. Auch Pflegebedürftige mit Pflegestufen 1 bis 3 erhalten künftig einen zusätzlichen Betreuungsbetrag von bis zu 104 Euro pro Monat. Für Demenzkranke steigt er leicht auf 104 bzw. 208 Euro pro Monat. Neue zusätzliche Entlastungsleistungen werden eingeführt, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Helfer. Bis zu 40 % des Leistungsbetrags der ambulanten Pflegesachleistung kann zukünftig für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden.
  • Der Zuschuss zu Umbaumaßnahmen (z.B. Einbau eines barrierefreien Badezimmers) steigt deutlich von bisher 2.557 auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Wohnen mehrere Anspruchsberechtigte zusammen,  kann sogar ein Betrag von bis zu 16.000 Euro eingesetzt werden. Für Pflegehilfsmittel des täglichen Verbrauchs steigen die Zuschüsse  von 31 auf 40 Euro pro Monat.
  • Auch die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf wird verbessert. Die Pflegeversicherung zahlt ab 2015 ein Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung für eine zehntägige bezahlte Freistellung vom Beruf  für die Pflege eines Angehörigen.  Das Gesetz stellt dafür 100 Millionen Euro zur Verfügung. Die Einzelheiten regelt das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, das das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat.
  • Durch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels auf 1:20 kann die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in den Heimen von bisher 25.000 auf bis zu 45.000 aufgestockt werden.
  • Es wird ein Pflegevorsorgefonds aufgebaut und mit den Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (1,2 Mrd. Euro jährlich) finanziert. Dieser wird ab 2035 zur Stabilisierung des Beitragssatzes genutzt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen.
  • Mit der im Rahmen des ersten Pflegestärkungsgesetzes zum 1. Januar 2015 erfolgenden Beitragssatzerhöhung um 0,3 Prozentpunkte wird auch der finanzielle Spielraum für das geplante Pflegeunterstützungsgeld geschaffen. Diese bis zu zehntägige Lohnersatzleistung dient pflegenden Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation zur Organisation einer bedarfsgerechten Pflege.

Das Gesetz sieht im Vorgriff auf die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auch Leistungsverbesserungen vor, die in besonderem Maße Menschen mit Demenz zu Gute kommen:

  • Demenzkranke mit anerkannter erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz, die nicht in den Pflegestufen 1 bis 3 eingestuft sind (sog. Pflegestufe 0), erhalten erstmals Zugang zu allen ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung.
  • Inanspruchnahme von Leistungen der Tages- und Nachtpflege ist zukünftig zu 100 Prozent (d.h. anrechnungsfrei) neben den Sach- und Geldleistungen möglich: Demenzkranke profitieren aufgrund des hohen Betreuungsbedarfs von dieser Flexibilisierung in besonderem Maße.
  • Bis zu 40 % des Leistungsbetrags der ambulanten Pflegesachleistung kann zukünftig für  niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden. Davon profitieren insbesondere Demenzkranke und ihre Angehörigen. ,Sie können flexibler und in größerem Umfang niedrigschwellige Betreuungs- und zukünftig auch Entlastungsangebote in Anspruch nehmen.
  • Die Jahrespauschalen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können zukünftig flexibler und über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden: Zugunsten der Verhinderungspflege kann bis zu 50% des Jahresbetrags der Kurzzeitpflege verwendet werden; umgekehrt können sogar bis zu 100% des Jahresbetrags der Verhinderungspflege für die Kurzzeitpflege eingesetzt werden (soweit die jeweiligen Leistungen im Kalenderjahr noch nicht verbraucht wurden). Gerade von der deutlichen Flexibilisierung der Verhinderungspflege profitieren Angehörige von Demenzkranken, die oft sehr hohen Belastungen ausgesetzt sind und sich Erholungspausen ermöglichen können.
  • Ambulante Wohngemeinschaften, auch für Demenzkranke, können Fördermittel zur altersgerechten und barrierearmen Umgestaltung der Wohnung erhalten. Zudem haben jetzt auch Pflegebedürftige der sog. Pflegestufe 0 erstmals Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag von künftig 205 Euro pro Monat zur Finanzierung einer Unterstützungskraft sowie auf die Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen von 2.500 Euro pro Bewohner (maximal 10.000 Euro).

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 17.10.2014

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